Wenn Kinder beginnen, ihr eigenes Geld zu verdienen, fragt man sich als Eltern: «Habe ich ein Mitspracherecht?» Andrea Schmid-Fischer, Präsidentin vom Dachverband Budgetberatung erklärt, wem das Geld Minderjähriger gehört, ob Eltern Haushaltsabgaben einfordern können und wie eine mögliche Unterstützung bei Finanzthemen aussieht.
Frau Schmid-Fischer, wem gehört überhaupt das Einkommen minderjähriger Kinder?
Es gilt der Grundsatz, dass selbstverdientes Geld den Jugendlichen gehört. Dies ist im Schweizerischen Zivilgesetzbuch mit Art. 323 so verankert und ausgeführt.
Im Gesetzesartikel steht aber auch, dass sich Jugendliche mit selbstverdientem Geld oder Vermögen angemessen an den eigenen Kosten beteiligen müssen, wenn sie in häuslicher Gemeinschaft mit den Eltern leben.
«Es gilt der Grundsatz, dass selbstverdientes Geld den Jugendlichen gehört.»
Andrea Schmid-Fischer, Präsidentin Dachverband Budgetberatung Schweiz
Was bedeutet «angemessen» in diesem Zusammenhang?
Das hängt von verschiedenen Faktoren ab: Wie hoch ist das Einkommen des oder der Jugendlichen und was kann alles daraus bezahlt werden? Ist dies stimmig eingebettet in die Gesamtsituation der Familie? Mit einem durchschnittlichen Lehrlingslohn können sich die angemessenen Abgaben für Kost und Logis aus unserer Sicht durchaus auf CHF 110.- bis CHF 240.- pro Monat belaufen.
Mehr Klarheit darüber, was für eine Familie angemessen bedeutet, geben die Merkblätter des Dachverbands Budgetberatung Schweiz. Zudem bieten die Mitglieder des Dachverbands Beratungstermine mit Fokus auf die Erarbeitung von massgeschneiderten Lösungen für Familien an.
Sollen Eltern einen Beitrag zur Haushaltskasse einfordern, sobald Kinder verdienen?
Jugendliche und junge Erwachsene sollen sich angemessen an ihren Kosten beteiligen, wenn sie können. Dabei spielt es letztendlich keine Rolle, zu welchen Budgetposten sie etwas beitragen. Das muss nicht aus Prinzip ein Beitrag an Kost und Logis sein. Es muss einfach unter dem Strich für die ganze Familie aufgehen.
Gilt das auch für nach der Ausbildung?
Nein, wer nach der Ausbildung bei vollem Einkommen noch Zuhause bleibt, soll sicher die eigenen Auslagen für Kost und Logis übernehmen. Das ist nicht nur zur Entlastung des elterlichen Budgets wichtig. Es geht dabei auch um den nächsten Schritt zur Abnabelung in ein realistisches, eigenständiges Geldleben als erwachsener Mensch.
«Es geht dabei auch um den nächsten Schritt zur Abnabelung in ein realistisches, eigenständiges Geldleben als erwachsener Mensch.»
Andrea Schmid-Fischer, Präsidentin Dachverband Budgetberatung Schweiz
Wie gelingt die Abnabelung in finanzieller Hinsicht?
Wie in allen Lebensbelangen, starten Kinder in Bezug auf das Finanzielle in grosser Abhängigkeit von ihren Eltern und/oder anderen Bezugspersonen ins Leben. So ist auch der Umgang mit Geld und allem was dazugehört ein Entwicklungsprozess, bei dem nach und nach mehr Freiräume geschaffen, Verantwortung übertragen und Vertrauen investiert wird. Dabei lohnt es sich, schon im jüngeren Alter mit Kindern über das Management ihrer Finanzen zu reden. Durch das Einbringen von Ideen und Inputs erhöht sich die Selbsteinschätzung der Kinder. Ein gutes Lernfeld ist auch das Taschengeld. Wenn dieses nach und nach um Budgetposten ergänzt wird, können die Kinder ihre Fähigkeit zur Selbsteinschätzung in einem sicheren Rahmen schrittweise weiterentwickeln.
Wie können Eltern ihre Kinder in diesem Prozess unterstützen, ohne die gewünschte Unabhängigkeit zu gefährden?
Ich empfehle Eltern, zu beobachten, zu stärken was gut läuft und da Grenzen zu setzen, wo viel Schaden entstehen kann. Es geht um einen stimmigen Mix aus Unterstützung und Freiräumen. Dieser Mix kann innerhalb derselben Familie bei Geschwistern so unterschiedlich sein, wie die Kinder selbst: Manche Kinder brauchen mehr Leitlinien als andere.
«Es geht um einen stimmigen Mix aus Unterstützung und Freiräumen.»
Andrea Schmid-Fischer, Präsidentin Dachverband Budgetberatung Schweiz
Vorhin haben Sie erwähnt, dass es wichtig ist, mit Kindern über die Finanzen zu sprechen. Wie gelingt das Eltern am besten?
Wenn Eltern sich überlegen, was sie ihrem Kind mitgeben wollen, so kann sich ein Rückblick auf das eigene Geldleben lohnen. Welche hilfreichen Bausteine haben ihnen die eigenen Eltern mit auf den Weg gegeben? Was war weniger hilfreich? Und welche Themen haben möglicherweise gefehlt?
So bekommen sie eine Idee, was sie ihrem Kind an Werten, Prioritäten, Eigenverantwortung, Konsumkompetenzen und umsichtiger Planung vermitteln wollen. Es geht um Dinge wie: sein Kind zu ermutigen weiter für ein Spielzeug zu sparen, sich mit einem Batzen an der Sammlung der Glückskette zu beteiligen, Jugendliche bei der Abwägung eines Kaufentscheids zu unterstützen oder einen jungen Erwachsenen auf die Altersvorsorge aufmerksam zu machen beziehungsweise darauf hinzuweisen, dass im Jahr nach dem Ausbildungsabschluss die Steuern massiv steigen werden.
Andrea Schmid-Fischer ist Leiterin Budgetberatung der Frauenzentrale Luzern und seit 2018 Präsidentin des Dachverbands Budgetberatung Schweiz.