Reportage: Bewussten und nachhaltigen Konsum bei Kindern fördern
Miriam Bosch 8 Minuten

Die Wünsche ihrer Kinder einfach zu erfüllen, kommt für Morena und Emanuele B. nicht in Frage – obwohl es finanziell möglich wäre. Ihnen ist es wichtig, Jacopos und Sofias Bewusstsein für Konsum und Nachhaltigkeit zu schärfen und ihnen einen gesunden Umgang mit Geld zu vermitteln. 

«Natürlich wäre es einfacher, den Teddy im Supermarkt einfach einzupacken, um nicht diskutieren zu müssen», erzählt Morena B. «Aber ich finde das nicht richtig. Meine Kinder sollen verstehen, was es heisst, bewusst zu kaufen – und kein Geld für Dinge auszugeben, die nach kurzer Zeit schon wieder vergessen sind.» Als Direktorin dreier Schulen hat die 43-Jährige klare Vorstellungen von Finanzerziehung. «Es ist in meinen Augen wenig lehrreich, wenn man einfach immer bekommt, was man möchte.»

Aus Alt mach Neu

Stehen wichtige Anschaffungen oder grosse Wünsche an, wägt die Familie gemeinsam das Für und Wider ab und überlegt, ob und wie die Finanzierung möglich ist. «Unser Sohn wollte zum Beispiel unbedingt eine PlayStation 5 haben», erzählen die Eltern. Einfach schenken? Für sie keine Option. Jacopo soll lernen, für etwas Neues auf etwas Altes zu verzichten – und darüber hinaus den Wert von Arbeit zu schätzen. «Um sich seinen Wunsch zu erfüllen, hat er seine Nintendo-Spielkonsole und sein altes Velo verkauft. Ausserdem hat er seinem Onkel jeden Samstagmorgen geholfen, Flaschen zu entsorgen.» Auch andere kleine Aufgaben habe er übernommen. Am Schluss reicht das Geld für eine gebrauchte Playstation – für die Eltern zwei Fliegen mit einer Klappe: Einerseits ist Jacopo überglücklich, andererseits ist der Kauf nachhaltig. «Und ich habe sogar noch Geld übrig!», freut sich der Zehnjährige. 

Um Geld zu verdienen, übernimmt Jacopo immer wieder kleinere Aufgaben.

Steter Tropfen höhlt den Stein

Am Anfang hatte Jacopo allerdings Mühe zu verstehen, warum er für die PlayStation so viel Arbeit auf sich nehmen muss. «Ich war richtig sauer auf euch», erinnert er sich und lacht. Inzwischen verstehe er aber, dass die Welt nicht gratis sei. Und ehrlich gesagt habe er das Fahrrad und die alte Spielkonsole ohnehin nicht mehr gebraucht. «Es nervt zwar immer noch manchmal, dass ich nicht einfach kaufen kann, was ich will», gibt er unumwunden zu. «Aber so langsam weiss ich, warum meine Eltern Wert darauflegen, dass wir ein wenig ‹leiden› müssen, wenn wir etwas haben wollen.»

Für seinen grössten Wunsch, eine PlayStation 5, musste Jacopo einiges auf sich nehmen (li.). Emanuele B. diskutiert regelmässig mit seinem Sohn Jacopo über die Themen Konsum und Geld.

«Opfer bringen», nennt sein Vater Emanuele das – und meint das durchaus positiv. Immer wieder gibt es Situationen, die ein Gespräch über den Wert des Geldes erforderlich machen. «YouTube und Instagram gehen auch an Jacopo nicht spurlos vorbei», erzählt Emanuele B., der auch beruflich mit jungen Menschen zu tun hat. «Auf Social Media scheint immer alles so leicht: Designerklamotten hier, teure Autos da. Wir versuchen, Jacopo immer wieder zu erklären, dass der Alltag der meisten Menschen ganz anders aussieht.»

Jacopos jüngere Schwester Sofia tickt anders als ihr Bruder – zumindest noch. «Ich liebe es, zu sparen», erzählt sie und zeigt stolz ihre Sparbüchse, in der sich mehr als 70 Franken befinden. Das Geld hat sie sich durch Haushaltsarbeiten verdient oder geschenkt bekommen, beispielsweise von der Zahnfee oder als Geburtstagsbatzen der Grosseltern. «Manchmal möchte ich spontan etwas kaufen, aber dann denke ich darüber nach und merke, dass ich es eigentlich gar nicht brauche. Und dann behalte ich das Geld lieber für etwas anderes.» Ihre Mutter zahle ihr Erspartes regelmässig auf ein Konto ein. «Vielleicht brauche ich es mal, wenn ich gross bin.» 

Sofia gibt nur selten Geld aus – und wenn, dann ganz bewusst. Wie etwas für dieses T-Shirt, das ihr bei jedem Tragen ein Lächeln ins Gesicht zaubert. In ihrer Sparbüchse sind derzeit mehr als 70 Franken (li.). Billigspielzeug kommt bei Familie B. nicht in Frage. «Mit Lego können wir auch als Erwachsene noch bauen», finden Jacopo und Sofia.

Sparen für grosse Ziele

Wenn sie aber doch mal etwas kaufe, dann freue sie sich richtig darüber. «Für dieses T-Shirt hier habe ich 12 Franken ausgegeben. Jedes Mal, wenn ich es trage, erinnere ich mich daran!» Der Kauf ist das eine, der Umgang mit dem «wertvollen Gut» das andere. «Wir nehmen uns viel Zeit dafür, unseren Kindern zu erklären, dass sie sorgsam mit ihren Sachen umgehen», sagt Morena B. Sie hält nichts davon, kaputte Dinge einfach zu ersetzen. «Das ist nicht unsere Art der Erziehung.» Deshalb achten ihr Mann und sie auch darauf, hochwertiges Spielzeug zu kaufen. 

Dasselbe gilt für Kleidung. «Das Thema Konsum geht in unserem Familienalltag Hand in Hand mit dem Thema Nachhaltigkeit», erzählt Morena B. Sie kaufe wenig, lege dabei aber Wert auf Qualität. Und sie sei eine grosse Befürworterin von Second-Hand-Ware: «Man spart Geld und schont gleichzeitig die Umwelt. Was gibt es Besseres?» 

Was bleibt, was geht? Morena B. sortiert zweimal jährlich die Kleiderschränke aus – gemeinsam mit ihren Kindern.

Diese Grundsätze versuche sie auch ihren Kindern zu vermitteln. «Zu Beginn der Saison ordnen wir die Kleidung im Schrank und entscheiden gemeinsam, was wir behalten und was wir aussortieren, aber vor allem, wem wir es weitergeben.» Erst dann werde neue Kleidung gekauft. Auch Spielsachen werden weiterverschenkt oder -verkauft, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. «Warum sollte ich ein cooles Buch wegwerfen?», fragt Sofia. «Dann hätten wir ja Geld für nichts ausgegeben.» Der Nachhaltigkeitsgedanke ist bereits bei ihr angekommen.

Auch beim Thema Ernährung, Mobilität und Energie legt die Familie Wert auf Nachhaltigkeit. Lokale Lebensmittel statt Convenience Food, Hybrid-Auto statt Benziner, Achtsamkeit beim Wasser- und Stromverbrauch – die Kinder sollen von klein auf lernen, wie man ökologisch lebt. Wenn sie sich zu viel Essen schöpfen, unnötig Wasser laufen oder sinnlos das Licht brennen lassen, weisen die Eltern sie darauf hin. Sie sei davon überzeugt, dass jeder noch so kleine Schritt in Richtung Nachhaltigkeit lohnenswert sei, sagt Morena B. «Oft merkt man gar nicht, wie sehr einen die Konsumgesellschaft prägt – und in welchem Masse dies die Lebenssituation finanziell beeinflusst. Es liegt in unserer Verantwortung, unsere Kinder dafür zu sensibilisieren.» 

Noch besser als nachhaltige Spielsachen sind für Familie B. Spiele in der freien Natur – wie hier im Park.

Widerstand gegen die «Alles-und-jetzt-mit-einem-Klick»-Gesellschaft

Der Umgang mit Geld müsse gelernt werden – auch jener mit Taschengeld, das ihre Kinder bislang noch nicht erhalten. Taschengeld sei in ihren Augen zwar nicht schlecht, aber auch nicht per se gut. «Meiner Meinung nach sollte es ebenso bewusst ausgegeben werden wie anderes Geld», sagt sie. Also nicht einfach für Süssigkeiten und Wegwerf-Spielzeug. Gerade in der heutigen ‹Alles-und-jetzt-mit-einem-Klick›-Gesellschaft sei die Finanzerziehung ein wichtiger Teil der Gesamterziehung. «Junge Menschen brauchen einen Sinnrahmen, damit sie zu verantwortungsvollen und bewussten Bürgern heranreifen.»