Sich zu verschulden kann für Jugendliche einschneidende Folgen haben. Gregor Mägerle, Leiter der Schuldenprävention der Stadt Zürich, gibt im Interview Auskunft über Schuldenfallen und Tipps, wie Eltern mit ihren Kindern über die Themen Geld und Schulden sprechen können.
Die Verschuldung Jugendlicher und junger Erwachsener ist politisch und gesellschaftlich immer wieder ein Thema. Herr Mägerle, wie hoch ist das Risiko für junge Menschen in der Schweiz, sich zu Verschulden und in eine Schuldenspirale zu geraten?
Gesicherte Zahlen gibt es hier nicht, die Dunkelziffer ist gross. Es ist so, dass nur wenige Minderjährige in der Schweiz betrieben werden. Und wenn, dann in der Regel wegen unbezahlter Bussen, beispielsweise, weil sie im ÖV Fahren ohne Billet erwischt wurden. Ab dem 18. Geburtstag steigen die Zahlen aber an.
Woran liegt das?
Die Volljährigkeit bringt viele neue Möglichkeiten und auch Verpflichtungen für junge Menschen. Sie können alleine Verträge unterschreiben, eigene Kredit- und Debitkarten beantragen oder einen Leasingvertrag abschliessen. Das kann einen Anstieg bei den persönlichen Fixkosten und einen unkontrollierten Umgang mit Geld zur Folge haben.
Ein weiterer Punkt ist, dass junge Menschen oft nicht daran denken, dass sie mit dem Erhalt des ersten vollen Lohnes auch Steuern darauf bezahlen müssen. Sie sparen das Geld nicht über das Jahr an, und können die Steuerrechnung dann nicht rechtzeitig bezahlen, oder sie werden vom Steueramt eingeschätzt, da sie die Steuererklärung nicht ausfüllen. Und geraten dadurch in eine Verschuldung.
«Junge Menschen denken beim Erhalt des ersten vollen Lohnes oft nicht daran, dass sie dafür Steuern bezahlen müssen.»
Gregor Mägerle, Leiter Schuldenprävention Stadt Zürich
Gibt es weitere besondere Momente im Leben, nach denen sich junge Menschen vermehrt verschulden?
Neben dem Erreichen der Volljährigkeit ist auch das Ausziehen aus dem Elternhaus bei vielen jungen Menschen ein finanzieller Knackpunkt. Sie unterschätzen die Kosten, die ein eigener Haushalt mit sich bringt. In der Regel müssen sie auch ihren Lebensstil sowie ihr Budget anpassen, weil neu Kosten rund ums Wohnen dazukommen und so weniger für Freizeit zur Verfügung steht. Diese Umstellung gelingt nicht allen jungen Menschen gleich gut.
Was sind Gründe, warum die genannten Lebensereignisse bei einigen Jugendlichen zu finanziellen Problemen führen und bei anderen nicht? Haben Sie dazu Hinweise aus der Praxis?
Ein unkontrollierter Umgang mit Geld kann verschiedene Gründe haben. Zum einen spielt das Selbstvertrauen eine wichtige Rolle. Jugendliche und junge Erwachsene mit einem geringen Selbstvertrauen sind oft anfälliger auf Konsumtrends und haben mehr Schwierigkeiten, sich Grenzen zu setzen. Per Online-Shopping und Kreditkarten ist das Geld zudem schnell ausgegeben.
Oft sind fehlendes Wissen und mangelnde Finanzkompetenz eine weitere Ursache. Wer nie gelernt hat, wie man ein realistisches Budget aufstellt oder dass man wegen der Zinsen bei einem Kauf auf Kredit immer mehr bezahlt als bei einem direkten Kauf, hat ein erhöhtes Verschuldungsrisiko.
Und zu guter Letzt gibt es Fälle, in denen schlicht zu spät reagiert wird, wenn die eigenen Ausgaben die Einnahmen überschreiten. Viele denken, dass sich die Situation wieder bessert und holen zu spät Hilfe. Oder sie schämen sich dafür, dass sie Schulden haben und wollen sich deshalb niemandem anvertrauen. So geraten sie tiefer in eine Schuldenspirale und der Weg hinaus wird immer schwieriger.
Welche Folgen hat eine Verschuldung für junge Menschen?
Laufen die Schulden aus dem Ruder, kann das für junge Erwachsene langfristig schwere Konsequenzen haben. Werden sie von einem Schuldner oder einer Schuldnerin betrieben, bleiben die Forderungen bis sie beglichen sind, mindestens 20 Jahre lang im Betreibungsauszug einsehbar. Ein Eintrag im Betreibungsauszug macht zum Beispiel das Mieten einer Wohnung oder die Aufnahme eines Kredits viel schwieriger. Zudem ist es mit einer laufenden Betreibung schwierig, einen Job zu finden, der mit (Bar-)Geld zu tun hat.
In solchen Fällen sollte frühzeitig auch professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden. Wenn der Schuldenberg immer weiter anwächst, kann es irgendwann fast unmöglich werden, ihn je wieder aus eigener Kraft abzubauen.
«Laufen die Schulden aus dem Ruder, kann das für junge Erwachsene langfristig schwere Konsequenzen haben.»
Gregor Mägerle, Leiter Schuldenprävention Stadt Zürich
Wie können Eltern ihre Kinder beim Thema Schulden unterstützen?
Grundsätzlich können sie ihr eigenes Wissen rund um Geldfragen, Budgets etc. weitergeben. Wichtig ist auch, dass Eltern das Thema Geld im Kreis der Familie immer wieder besprechen und die eigenen Kaufentscheide, gute und schlechte, thematisieren.
Ausserdem sollten sie eine Ansprech- und Vertrauensperson für ihre Kinder bleiben. Und das nicht nur im Kindes- und Jugendalter, sondern über den Auszug aus dem Elternhaus hinaus. Auch über Schulden zu reden sollte kein Tabu sein. Denn schlussendlich ist es besser, wenn das Kind mit Geldproblemen zu den Eltern kommt und man gemeinsam nach Lösungen sucht, als wenn es sie verschweigt und immer weiter in ein finanzielles Loch fällt.
Tipps von Gregor Mägerle für Eltern zum Thema Schuldenfallen
- Bleiben Sie immer im Gespräch und sprechen Sie das Thema Geld auch nach dem Auszug des Kindes regelmässig an.
- Beziehen Sie Ihre Kinder früh in Kaufentscheide mit ein und zeigen Sie auf, wie solche Entscheide in der Familie gefällt werden.
- Besprechen Sie das Familienbudget mit dem Kind. So lernt es, wie hoch realistische Lebenskosten sind.
- Reden Sie mit dem Kind über dessen Stärken und Schwächen und vermitteln sie ihm Selbstvertrauen im Umgang mit Geld. Dazu eignet sich das Modell des Jugendlohns.
- Unterstützen Sie Ihr Kind, wenn es Fehler im Umgang mit seinem Geld gemacht hat, anstatt es zu bestrafen.
Zur Person
Gregor Mägerle ist ausgebildeter Sozialarbeiter FH und selber Ausbildner mit eidgenössischem Fachausweis. Er leitet die Schuldenprävention der Stadt Zürich seit mehr als sieben Jahren.