Der Jugendlohn ist bei Familie P. Teil der Finanzerziehung
Reportage: Jugendlohn als Teil der Erziehung
Miriam Bosch 5 Minuten

Sabrina P. lebt zusammen mit ihren drei Kindern Matteo (14), Nevio (13) und Lenya (10) im Kanton Aargau. Das Thema Geld spielt für sie eine wichtige Rolle bei der Erziehung. Vor einem Jahr hat sie bei ihrem ältesten Sohn den Jugendlohn eingeführt – keine einfache Aufgabe.

«Ich habe mich im Vorfeld schon gefragt, ob ich mir den Stress wirklich antun soll», erzählt die 38-Jährige und lacht. «Doch mir war bewusst: Wenn ich mitten in der Pubertät damit anfange, kann ich mich auf stundenlange Diskussionen gefasst machen.» Der Übertritt in die Oberstufe sei für sie der ideale Moment gewesen. Sie selbst habe in dem Alter auch mehr finanzielle Verantwortung übernehmen müssen. «Mir hat das im Umgang mit Geld sehr geholfen.» 160 Franken zahlt sie ihrem Sohn monatlich auf sein Jugendkonto. Den Betrag hat sie gemeinsam mit Matteo festgelegt. Dafür hat sie ihm im Vorfeld eine Liste gegeben, in der er eingetragen hat, wie viel was in welchem Laden kostet. «Das war mühsam, weil es so viel Zeit gekostet hat», erinnert sich Matteo. Doch seiner Mutter war diese sorgfältige Vorbereitung wichtig. «Matteo sollte ein Gefühl dafür bekommen, wie viel das Leben kostet – und welchen Unterschied es macht, ob man ein Getränk im Supermarkt oder am Kiosk kauft.» Ihn selbst hat der Preisunterschied zwischen No-Name-Produkten und Markenartikeln am meisten überrascht. «Unglaublich, wie viel man allein für das Label zahlt!»

Verantwortungsbewusster Umgang mit Geld lernen

Von seinem Jugendlohn muss sich Matteo Kleidung und Kosmetikprodukte kaufen. Auch den Coiffeur und alles, was er mit seinen Kollegen konsumiert, bezahlt er selbst. Die Trainingsbekleidung hingegen übernehmen die Eltern. Auch die Skibekleidung wird durch seine Mutter mitfinanziert, weil sie dereinst an den jüngeren Bruder weitergegeben wird. Allerdings ist Sabrina P. nicht bereit, Geld für teure Markenkleidung auszugeben. Für die Skijacke, die Matteo ausgewählt hat, musste er einen Teil beitragen. «Mir ist es halt nicht egal, was ich trage», gibt der Teenager offen zu.

Matteo legt viel Wert auf Style. Doch zu seinem Unmut mussten die Jordans warten – trotz Jugendlohn.

Die erste Handyrechnung war ein Schock

Eine Herausforderung war am Anfang auch das Handy. «Wir haben vereinbart, dass ich die monatlichen Abonnements-Kosten übernehme und Matteo alles zahlt, was darüber hinausgeht», sagt Sabrina P. «Heute funktioniert das, aber am Anfang…» Sie lacht. Dabei war ihr damals, als die Online-Rechnung kam, alles andere als zum Lachen zumute. Rund 90 Franken für zusätzliches Datenvolumen waren fällig. «Ich habe Matteo die Rechnung ausgedruckt und mich dann mit ihm zusammen hingesetzt», erzählt sie. «Matteo war sichtlich erschrocken, hat die Rechnung dann aber zähneknirschend bezahlt.»

Die erste Handyrechnung war für Matteo ein Schock: Zu den knapp 20 Franken Abogebühr kamen rund 90 Franken für zusätzliches Datenvolumen (li.). Der 14-Jährige bekommt den Jugendlohn nicht umsonst. Seine Mutter erwartet, dass er sie im Gegenzug im Haushalt unterstützt. Das haben die beiden in einem Vertrag festgehalten.

Inzwischen hat Matteo nicht nur ein Flatrate-Abo, sondern auch ein besseres Gefühl dafür, wie viel Geld ihm wofür zur Verfügung steht. Er vergleicht die Preise in verschiedenen Läden und geht insgesamt bewusster mit seinen Finanzen um. Trotzdem: Ganz frei darf er auch heute noch nicht entscheiden. «Wenn er etwas Grösseres kaufen will, muss er mich fragen», sagt Sabrina P. bestimmt. Oftmals gibt es dann Diskussionen. Bei einem Thema allerdings lässt sie nicht mit sich reden. «In-App-Käufe sind tabu.» Dabei gehe es ihr weniger um das Geld als um die Erziehung. «Ich erlaube ihm ja auch nicht, Zigaretten oder Alkohol zu kaufen.»

Jugendlohn nur für Gegenleistung

Der Jugendlohn ist bei Familie P. nicht gratis. «Wir haben einen Vertrag», erzählt Sabrina P. Darin steht einerseits Matteos Lohn, andererseits sind dort seine Verpflichtungen aufgelistet: Wäsche aufhängen, Tisch decken, Spülmaschine ausräumen – aber auch Hausaufgaben erledigen. Am Anfang nahm Matteo die Abmachungen nicht so ernst – «er fand, er sei schliesslich nicht mein Diener», sagt Sabrina P. schmunzelnd. «Da habe ich seinen Lohn ausgesetzt. Für mich heisst Erwachsenwerden eben auch, Verantwortung in der Familie zu übernehmen. Der Jugendlohn soll einerseits dazu beitragen, den Umgang mit Geld zu erlernen, andererseits aber auch das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass man für einen Lohn etwas leisten muss.»

Auch Nevio soll einen Jugendlohn bekommen

Im Sommer kommt auch Matteos Bruder Nevio in die Oberstufe. Das Jugendkonto ist bereits eröffnet. Der 12-Jährige freut sich, doch Sabrina P. ist etwas besorgt. «Nevio hat einen wahnsinnigen Dickkopf», seufzt sie. Schon jetzt gebe es ständig Diskussionen um das Geld. Nevio pflichtet ihr bei. «Immer redet sie mir rein. Dabei ist es doch mein Geld!» Stein des Anstosses ist vor allem «unnötiges Zeug» wie Pokémon-Karten. Trotz der befürchteten Endlos-Diskussionen möchte es Sabrina P. bei Nevio und später auch bei Lenya genau gleich handhaben wie bei Matteo. «Mir liegt die Finanzerziehung sehr am Herzen. Ich will meine Kinder um jeden Preis davor bewahren, dereinst in die Schuldenfalle zu tappen.»

Lenya ist ihren Brüdern beim Sparen voraus

Bei Lenya, der Jüngsten, dauert es noch ein Weilchen, bis der Jugendlohn ansteht. Bei ihr allerdings macht sich Sabrina P. überhaupt keine Sorgen. «Sie ist nicht nur sparsam, sondern auch sehr verantwortungsbewusst.» Lenya nickt zustimmend. «In meiner Spardose sind genau 50.20 Franken. Ich führe nämlich Buch», erzählt die 10-Jährige stolz. Wenn das Kässeli voll ist, kommt das Geld aufs Sparkonto. Dort haben sich inzwischen rund 1000 Franken angehäuft. «Sparen ist mir wichtig. Auch wenn ich noch nicht weiss, wofür», sagt sie.

Nevios grösster Wunsch: eine VR-Brille. Noch verwehrt ihm seine Mutter diesen Wunsch. «Das ist eine Erziehungsfrage, die Kinder gamen jetzt schon zu viel», sagt sie. «Aber die Diskussion ist noch nicht beendet.» Nevios kleine Schwester Lenya hat zwar kein konkretes Sparziel, spart aber trotzdem eifrig. In ihrer Spardose befinden sich momentan 50.20 Franken, auf ihrem Sparkonto rund 1000 Franken.

Sparen ohne konkretes Ziel – da ist Lenya ihrem grossen Bruder Matteo voraus. Er hat erst durch den Jugendlohn gelernt, dass man immer etwas Geld zur Seite legen sollte. «Mein Konto ist nie leer. Wenn ich mal coole Sneakers oder T-Shirts sehe, kann ich sie mir von meinem Ersparten kaufen», so der 14-Jährige. Und zieht nach einem Jahr eine positive Bilanz: «Ich habe viel gelernt. Auch, dass ein cooler Pullover reicht. Das T-Shirt darunter muss nicht unbedingt auch cool sein – ausser im Sommer natürlich.»

Bei Familie P. ist der Jugendlohn Teil der Finanzerziehung

Sabrina P. ist froh über die Entwicklung. «Heute gibt es kaum mehr Diskussionen ums Geld», resümiert sie. Die zeitliche und nervliche Investition hat sich in ihren Augen definitiv gelohnt: «Ich habe einen Teil meiner finanziellen Verantwortung abgeben können.»

Keine Diskussionen gibt’s beim Kauf von Panini-Bildern. Die finden alle cool und jeder trägt einen Teil dazu bei. «Aber es gibt nur ein Heft für alle, das muss dafür am Ende voll sein», sagt Sabrina P.