Hans-Jörg Morath, ETFs sind als Anlageklasse in aller Munde und überaus beliebt. Können Sie kurz erklären, was ein ETF ist und wie er sich von anderen Anlageinstrumenten unterscheidet?
Ein ETF – kurz für Exchange Traded Fund – ist ein börsengehandelter Fonds, der die Wertentwicklung eines bestimmten Index nachbildet. Beispiele hierfür sind der SMI (Swiss Market Index), der S&P 500 (Standard & Poor’s 500 Index) oder der MSCI World (Morgan Stanley Capital International World Index).
Dabei kombinieren ETFs die Vorteile von Aktien und klassischen Investmentfonds: Sie können zum einen wie eine Aktie an der Börse gehandelt werden, bieten aber zum anderen gleichzeitig die Diversifikation eines Fonds, da sie in viele verschiedene Wertpapiere investieren. Ein Investmentfonds ist dabei eine Anlageform, bei der das Geld vieler Anlegerinnen und Anleger gebündelt und gemeinsam von Fachleuten in unterschiedliche Wertpapiere investiert wird, um das Risiko zu streuen und von einer breiten Auswahl an Anlagen zu profitieren.
Der Hauptunterschied zu traditionellen Investmentfonds liegt in der passiven Verwaltung: Während aktiv gemanagte Fonds laufend von Fondsmanagerinnen und Fondsmanagern gesteuert werden, die versuchen, überdurchschnittliche Marktrenditen zu erzielen, verfolgt ein ETF das Ziel, einen Index möglichst exakt nachzubilden.
Ein weiterer Unterschied ist die Handelbarkeit: ETFs kann man während der Börsenöffnungszeiten jederzeit kaufen und verkaufen; ähnlich wie Aktien. Klassische Fonds hingegen werden meist nur einmal täglich bewertet und gehandelt.
Um es auf den Punkt zu bringen: ETFs sind flexibel, kostengünstig und bieten eine breite Diversifikation. Das macht sie so beliebt bei Anlegerinnen und Anlegern.
ETF ist nicht gleich ETF – welches sind die gängigsten Formen in der Praxis?
Das stimmt, ETF ist nicht gleich ETF. Es gibt verschiedene Arten, die sich in ihrer Struktur, ihrer Anlagestrategie und ihrer Funktionsweise unterscheiden.
Eine erste Form sind die Aktien-ETFs: Diese ETFs bilden Aktienindizes wie den SMI, S&P 500 oder den MSCI World nach. Sie investieren in alle Unternehmen, die im jeweiligen Index enthalten sind. So bieten sie eine breite Diversifikation über verschiedene Branchen und Regionen.
Eine zweite Form sind die Anleihen-ETFs, die in festverzinsliche Wertpapiere, wie Staats- oder Unternehmensanleihen investieren. Sie eignen sich besonders für Anlegerinnen und Anleger, die ihr Portfolio stabilisieren oder regelmässige Erträge erzielen möchten.
Drittens gibt es Rohstoff-ETFs, die es einem ermöglichen, in Rohstoffe wie etwa Gold und Silber zu investieren.
Viertens kann man in nachhaltige ETFs, auch bekannt als ESG-ETFs, investieren: Diese bilden eine übergeordnete Kategorie der ETFs. Sie investieren in Unternehmen, welche die sogenannten ESG-Kriterien (Environmental, Social und Governance) erfüllen. Diese stehen für Umwelt, soziale Verantwortung und gute Unternehmensführung. ESG-ETFs sind somit ideal für Anlegerinnen und Anleger, die Wert auf nachhaltiges Investieren legen.
Darüber hinaus gibt es jedoch noch weitere ETF-Arten, wie zum Beispiel Immobilien-ETFs, die oft Indizes wie den FTSE EPRA/NAREIT Global Real Estate Index nachbilden, oder Themen-ETFs, die gezielt bestimmte Branchen oder Trends abbilden, etwa den Nasdaq Clean Edge Green Energy Index für erneuerbare Energien. Diese ETFs können je nach Interesse und Strategie ebenfalls eine Rolle spielen. Die Wahl des passenden ETFs hängt stets von den individuellen Zielen und der Risikobereitschaft der Anlegerin beziehungsweise des Anlegers ab.
Inwiefern können ETFs für Eltern interessant sein, die langfristig für ihre Kinder sparen möchten?
Mit ETFs können Eltern langfristig für ihre Kinder sparen, da ETFs den Zinseszinseffekt optimal nutzen. Durch regelmässige Einzahlungen, beispielsweise über einen Sparplan, lassen sich Erträge automatisch wiederanlegen – im Fachjargon spricht man von Thesaurierung. Dadurch wächst das Vermögen über die Jahre exponentiell. Gerade bei einem langen Anlagehorizont – wie es beim Sparen für Kinder der Fall ist – entfaltet dieser Effekt seine volle Stärke.
Ein weiterer Vorteil von ETFs ist ihre Vielseitigkeit: Eltern können gezielt für unterschiedliche Sparziele wie die Ausbildung, den Führerschein oder den Start ins Berufsleben sparen. Breit diversifizierte ETFs bieten dabei eine solide Grundlage, um langfristig Vermögen aufzubauen. «Diversifiziert» bedeutet, dass das Geld auf viele verschiedene Anlagen – etwa Aktien aus unterschiedlichen Branchen oder Ländern – verteilt wird. So wird das Risiko reduziert, weil Verluste einzelner Anlagen durch andere ausgeglichen werden können.
Für Eltern, die Wert auf verantwortungsbewusstes Investieren legen, sind die vorhin erwähnten nachhaltigen ETFs eine attraktive Option. Diese investieren in Unternehmen, die ökologische, soziale und ethische Standards einhalten.
«Durch regelmässige Einzahlungen, beispielsweise über einen Sparplan, lassen sich Erträge automatisch wiederanlegen – im Fachjargon spricht man von Thesaurierung.»
Hans-Jörg Morath, Head ETF Sales bei der Zürcher Kantonalbank
Welche typischen Anfängerfehler sollten Eltern beim Investieren in ETFs vermeiden? Welche Risiken gilt es zu beachten?
Beim Investieren in ETFs sehe ich vor allem drei zentrale Aspekte:
Erstens ist ein langfristiger Zeithorizont ausschlaggebend. ETFs sind ideal für langfristige Anlagen, da sie Zeit benötigen, um ihr volles Potenzial zu entfalten. Eltern sollten sich bewusst sein, dass es bei kurzfristigen Marktschwankungen zu Wertverlusten kommen kann. Mit einem langen Anlagehorizont lassen sich solche Schwankungen jedoch ausgleichen; der Zinseszinseffekt kann so seine volle Wirkung entfalten.
Zweitens sollten Eltern vermeiden, den Markt zu «timen». Den perfekten Zeitpunkt für den Kauf oder Verkauf von ETFs zu finden, ist nahezu unmöglich und führt oft zu suboptimalen Ergebnissen. Stattdessen empfiehlt es sich, regelmässig über einen Sparplan zu investieren. So profitieren Eltern vom Durchschnittskosteneffekt, bei dem Schwankungen geglättet werden und langfristig ein stabileres Ergebnis erzielt wird.
Drittens ist eine breite Diversifikation essenziell: Ein häufiger Fehler ist, nur in wenige spezialisierte ETFs zu investieren, die sich auf bestimmte Regionen oder Branchen konzentrieren. Eine breite Diversifikation, beispielsweise durch globale ETFs, reduziert hingegen das Risiko und sorgt für eine stabilere Wertentwicklung. So stellen Eltern sicher, dass ihr Investment nicht von der Entwicklung einzelner Märkte oder Branchen abhängt.
Mit einem langfristigen Ansatz, regelmässigen Sparraten und einer breiten Diversifikation können Eltern typische Anfängerfehler vermeiden und eine solide Grundlage für die finanzielle Zukunft ihrer Kinder schaffen. Wichtig ist also, Ruhe zu bewahren und sich nicht von kurzfristigen Marktentwicklungen leiten zu lassen.
«Den perfekten Zeitpunkt für den Kauf oder Verkauf von ETFs zu finden, ist nahezu unmöglich und führt oft zu suboptimalen Ergebnissen.»
Hans-Jörg Morath, Head ETF Sales bei der Zürcher Kantonalbank
Wie sieht der konkrete Ablauf in der Praxis aus, wenn man in ETFs investieren möchte? Wie gelingt der Einstieg?
Der Einstieg in ETFs ist heutzutage einfacher denn je und erfordert nur wenige Schritte. Zunächst sollten Anlegerinnen und Anleger ihre Ziele und die Strategie festlegen. Es ist wichtig, sich darüber klar zu werden, warum man eigentlich investieren möchte: Möchte man langfristig für die Kinder sparen, ein Vermögen aufbauen oder einfach «nur» Geld anlegen? Auch die persönliche Risikobereitschaft gilt es zu prüfen. Für langfristige Ziele eignen sich breit diversifizierte ETFs, da sie das Risiko durch eine globale Streuung minimieren.
Der nächste Schritt ist die Eröffnung eines Wertpapierdepots, das zum Beispiel bei einer Bank oder einer Online-Brokerin beziehungsweise einem Online-Broker eingerichtet werden kann. Nach der Depoteröffnung geht es darum, den passenden ETF auszuwählen. Dabei muss man sich überlegen, welchen Index der ETF abbilden soll – beispielsweise einen globalen Index oder einen speziellen Markt wie Europa oder Schwellenländer.
Letzten Endes ist Folgendes zu beachten: Die Gesamtkostenquote – auf Englisch Total Expense Ratio oder kurz TER – sollte möglichst niedrig sein. Der Grund liegt darin, dass hohe Gebühren die Rendite schmälern. Zudem kann man sich entscheiden, ob man einen ausschüttenden ETF oder einen thesaurierenden ETF bevorzugt.
Inwiefern unterscheiden sich ausschüttende von thesaurierenden ETFs?
Bei einem ausschüttenden ETF werden die Dividenden ausgezahlt, bei einem thesaurierenden ETF werden diese hingegen automatisch reinvestiert. Für langfristiges Sparen ist ein thesaurierender ETF somit oft die bessere Wahl.
Woran müssen Eltern sonst noch denken?
Eltern müssen die Frage beantworten, ob sie über einen Sparplan oder eine Einmalanlage investieren möchte. Ein ETF-Sparplan ist ideal für alle, die regelmässig kleinere Beträge investieren möchten. Man legt dabei einen monatlichen Betrag fest – beispielsweise 50 oder 100 Franken –, der automatisch in den ausgewählten ETF investiert wird. Das ist besonders praktisch und nutzt den Durchschnittskosteneffekt, bei dem Schwankungen geglättet werden. Alternativ kann man auch eine grössere Summe auf einmal investieren, wenn man über das Kapital verfügt.
Nach dem Kauf ist vor allem eines wichtig: Geduld. ETFs sind wie bereits erwähnt für langfristige Anlagen gedacht. Daher sollte man sich nicht von kurzfristigen Marktschwankungen verunsichern lassen. Regelmässige Überprüfungen, beispielsweise einmal im Jahr, reichen aus, um sicherzustellen, dass die Anlage weiterhin zu den Zielen passt.
Wie können Eltern ihren Nachwuchs sinnvoll begleiten, wenn dieser anfängt, sich für das Thema Anlegen zu interessieren?
Wenn Kinder oder Jugendliche neugierig aufs Anlegen werden, sind Eltern wichtige Ansprechpersonen. Der erste Schritt besteht darin, die Grundlagen der Geldanlage altersgerecht zu erklären. Dazu gehören Themen wie der Unterschied zwischen Sparen und Investieren, der Zinseszinseffekt und die Bedeutung von Diversifikation. Anders ausgedrückt: Lege ich Geld für Notfälle auf die Seite oder investiere ich Geld mit dem Ziel, dass es sich vermehrt? Es ist wichtig, komplexe Begriffe einfach und verständlich zu machen, damit Kinder früh ein solides Finanzverständnis entwickeln können.
Eltern können dabei auch als Vorbild dienen, indem sie ihre eigenen Erfahrungen mit Geld und Investitionen teilen – unabhängig davon, ob es sich um Erfolge oder Misserfolge handelt. Solche Einblicke zeigen, dass Anlegen ein Lernprozess ist. Wenn Eltern selbst in ETFs investieren, bietet es sich an, dass sie ihren Kindern erklären, wie sie vorgehen, welche Entscheidungen sie treffen und warum. Das macht das Thema gleich greifbarer und praxisnah.
Haben Sie noch weitere Tipps dazu?
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, den Nachwuchs auf die Bedeutung von langfristigem Denken hinzuweisen. Kinder sollten verstehen, dass Investieren kein kurzfristiges Spekulieren ist, sondern vielmehr ein Prozess, der Geduld und Disziplin erfordert. Eltern können dabei helfen, Sparziele zu definieren – wie eben für ein Studium oder den Führerschein – und aufzuzeigen, wie regelmässiges Investieren über die Zeit zu grossen Erfolgen führen kann.
Darüber hinaus interessieren sich viele junge Menschen für Themen wie Nachhaltigkeit. Als Elternteil kann man dem Nachwuchs zum Beispiel erklären, wie nachhaltige ETFs funktionieren. Dies verbindet das Interesse am Anlegen mit den persönlichen Werten des Kindes und macht das Thema noch spannender und relevanter.
«Regelmässige Überprüfungen, beispielsweise einmal im Jahr, reichen aus, um sicherzustellen, dass die Anlage weiterhin zu den Zielen passt.»
Hans-Jörg Morath, Head ETF Sales bei der Zürcher Kantonalbank
Zum Schluss: Was ist Ihr persönlicher bester Tipp, wenn es um das Thema Investieren und Anlegen geht?
Man sollte langfristig denken und geduldig bleiben. Für einen erfolgreichen Vermögensaufbau zahlt es sich somit aus, früh anzufangen, in regelmässigen Abständen Geld zu investieren und Ruhe zu bewahren, auch wenn die Märkte mal schwanken.
Überdies ist es von Bedeutung, eine klare Strategie zu haben, die zu den eigenen Zielen und der persönlichen Risikobereitschaft passt. Dabei sollte man auf eine breite Diversifikation achten, um das Risiko zu minimieren, und sich nicht von Emotionen wie Angst oder Gier leiten lassen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist kontinuierliche Weiterbildung. Das Thema Finanzen und Investieren ist ein Lernprozess – je mehr man darüber weiss, desto fundierter lassen sich Entscheidungen treffen. Gleichzeitig sollte man es aber nicht zu kompliziert machen. Oft sind gerade einfache, gut durchdachte Strategien die besten.
Zusammengefasst: Langfristig planen, regelmässig investieren, breit diversifizieren und ruhig bleiben – das sind in meinen Augen die Grundpfeiler für erfolgreiches Anlegen.
Hans-Jörg Morath ist Head ETF Sales Switzerland bei der Zürcher Kantonalbank.
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