Der Übergang von der Schule in die Berufslehre markiert für Jugendliche einen bedeutenden Meilenstein in ihrem Leben. Der Schulabschluss läutet einen neuen Lebensabschnitt ein, der oft von Unsicherheit und vielen Fragen begleitet wird. Die Berufswahl stellt dabei eine der grössten Herausforderungen dar – legt man mit der Entscheidung doch das Fundament für die eigene berufliche Zukunft. Doch welche Berufslehre passt am besten zu einem? Wie findet man die passende Lehrstelle? Und was, wenn der Wunschberuf nicht sofort erreichbar ist? Diese Fragen beschäftigen die Jugendlichen – und auch ihre Eltern, die eine zentrale Rolle in diesem Prozess spielen und auf deren Unterstützung die Teenager angewiesen sind.
Bei der Berufslehre handelt es sich gemäss dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI um jenen Weg, den die meisten Schweizer Jugendlichen nach dem Schulabschluss einschlagen. Zwei Drittel der Schulabgängerinnen und Schulabgänger hierzulande entscheiden sich für eine berufliche Grundbildung. Dabei steht den Jugendlichen eine Palette an rund 230 Berufslehren zur Auswahl.
«Damit Jugendliche einen Berufsentscheid treffen können, begeben sie sich in den sogenannten Berufswahlprozess – im Prinzip auf eine grosse Entdeckungsreise zur eigenen Person, die in mehreren Schritten abläuft», erklärt Silke Zemp. Sie ist Leiterin des Berufsinformationszentrums (biz) Kloten. «Im Berufswahlprozess lernen die Jugendlichen ihre Interessen, Stärken und Kompetenzen kennen und gleichen diese mit den Berufsanforderungen und Voraussetzungen des Berufs ab.» Bei diesem Entdeckungsprozess sind gemäss der Expertin folgende Fragen zentral:
Hierbei sei es, so Silke Zemp, normal, die eigene Meinung und Vorstellung während des Prozesses auch mal zu ändern oder Neues zu entdecken und zu erkunden.
Als Elternteil weiss man bereits aus eigener Erfahrung, dass die Berufswahl eine wichtige Entscheidung ist. Dabei möchte man dem Nachwuchs so gut es geht zur Seite stehen. Das Kind soll keinen Entschluss fassen, den es im Nachgang bereut. Gleichzeitig sollten es Eltern vermeiden, Druck diesbezüglich ausüben – weder bewusst noch unbewusst –, in dem Wissen, dass dies das Kind verunsichern oder stressen kann. Wie können Eltern diesem Konflikt am besten begegnen? «Die Eltern sind die wichtigsten Bezugspersonen und tragen als Erziehungsberechtigte die Verantwortung für das Gelingen der Berufswahl», hält Silke Zemp fest. «Generell sollten sie die Wünsche ihrer Kinder ernstnehmen, das Gespräch suchen, über eigene Erfahrungen in der Berufswelt berichten – kurzum: interessiert und offen sein für die neue Thematik Berufswahl. Sie können Vorbilder, Motivatoren, Beratende, Trainerin und Trainer, Netzwerkhelfende sein, sollten aber auch in schwierigen Situationen unterstützen.»
«Die Eltern sind die wichtigsten Bezugspersonen und tragen als Erziehungsberechtigte die Verantwortung für das Gelingen der Berufswahl.»
Silke Zemp, Leiterin des biz Kloten
Jugendliche sollten zudem Informationsveranstaltungen zu Berufen besuchen, Schnupperlehren in mehreren Berufen leisten, Gespräche mit Fachpersonen in den Berufen suchen – «Die Erkundung der Berufswelt also in Angriff nehmen, um eine Entscheidung treffen zu können», bekräftigt die Expertin.
Noch mehr Tipps, wie Eltern ihrem Teenager bei der Berufswahl zur Seite stehen können, finden sich im folgenden Beitrag der Stiftung Pro Juventute:
Mit elterlicher Begleitung gelingt die frühe Berufswahl besser
Wenn es mit der Lehrstellensuche nicht klappen will, kann das verschiedene Ursachen haben – manche kann man selbst beeinflussen, andere liegen ausserhalb der eigenen Kontrolle. Im Folgenden sind diese Gründe aufgelistet.
Es ist möglich, dass im gewünschten Berufsfeld nur wenige Lehrstellen ausgeschrieben sind. Ist die Lehre zusätzlich sehr populär, ist auch die Konkurrenz entsprechend gross. Silke Zemp hält jedoch fest: «Der Lehrstellenmarkt bewegt sich seit einigen Jahren zu Gunsten der Jugendlichen – das heisst, es besteht ein grosses Angebot an Lehrstellen, aus denen Jugendliche wählen können.»
Lohnt es sich also unter Umständen, «grösser» zu denken und über Umwege zu seinem Traumberuf zu kommen, wenn es damit nicht auf Anhieb klappt? «Die Absolvierung von Praktika oder freiwilligen Einsätzen kann eine wertvolle Erfahrung bieten und helfen, neue Kontakte oder Beziehungen in einer Branche zu knüpfen», sagt die Expertin dazu. «Networking hilft, neue Chancen zu eruieren, die gegebenenfalls nicht öffentlich sichtbar und zugänglich sind.»
Apropos Sichtbarkeit: Unter Umständen ist man beim Berufswahlprozess auf manche Optionen noch gar nicht gestossen, weil sie nicht so sichtbar sind wie andere. Silke Zemp nennt folgendes Beispiel: «Im Gegensatz zu früher sind Handwerksberufe heute vielfach in Industriegebieten angesiedelt und verlieren so die Sichtbarkeit.» Nichtsdestotrotz seien Berufe im Handwerk sehr elementar für das Funktionieren einer Gesellschaft: Handwerkerinnen und Handwerker erbringen Dienstleistungen und produzieren Produkte, auf welche die Allgemeinheit angewiesen ist und das Erlernen des Handwerks voraussetzt.
Genauso gut können persönliche Merkmale Gründe dafür sein, dass die oder der Jugendliche bislang noch keinen Erfolg bei der Stellensuche gehabt hat. Silke Zemp nennt unter anderem folgende Beispiele:
Die Jugendlichen sollten sich schnellstmöglich mit einer Bezugsperson – Eltern, Kolleginnen und Kollegen oder ihrer Lehrperson – besprechen. Ihnen soll bewusst sein, dass sie bei diesem Prozess nicht allein sind.
Gemeinsam kann man die obengenannten Gründe, die man selbst beeinflussen kann, konkret angehen – und beispielsweise herausfinden, welche persönlichen Stärken, Interessen und Fähigkeiten zu welchen Berufen passen.
Ein weiterer Tipp ist, sich mit dem biz in der Nähe (siehe letzter Absatz) in Verbindung zu setzen und einen Beratungstermin zu vereinbaren. Die Fachpersonen geben dem Nachwuchs wertvolle Tipps und Unterstützung bei der Suche nach einer Lehrstelle und zeigen ihm Möglichkeiten auf, wie es in seinem Berufswahlprozess weitergehen kann.
In der Schweiz gibt es verschiedene Programme, die zum Ziel haben, Jugendlichen den Einstieg in die Berufswelt zu erleichtern. Eine kleine Übersicht dazu findet sich ebenfalls in der Infobox am Ende des Artikels.
Es empfiehlt sich, Bekannte oder Freunde aus der Familie zu informieren und sie um Hilfe oder Unterstützung zu bitten. Oft kennen sie weitere Personen, die wiederum Informationen zu offenen Lehrstellen bei Firmen haben.
Falls es dem Nachwuchs nicht gelingt, rechtzeitig eine Lehrstelle zu finden, gibt es mehrere sinnvolle Anschlusslösungen. «Brückenangebote und Zwischenlösungen überbrücken die Zeit zwischen der obligatorischen Schule und der Erstausbildung», weiss Silke Zemp. «Sie richten sich an Jugendliche, die nach der Sekundarschule keine Lehrstelle gefunden haben oder für die eine Berufswahl noch zu früh ist.»
Vor der Wahl eines Angebots brauche es eine Beratung durch die Berufsberaterin beziehungsweise den Berufsberater und eine gründliche Auseinandersetzung mit der persönlichen Situation, den Voraussetzungen, Wünschen und Bedürfnissen der Jugendlichen, so die Expertin weiter. Denn: «Ein gut gewähltes Brückenangebot kann die Chancen erhöhen, anschliessend in der Berufswelt Fuss zu fassen.»
«Ein gut gewähltes Brückenangebot kann die Chancen erhöhen, anschliessend in der Berufswelt Fuss zu fassen.»
Silke Zemp, Leiterin des biz Kloten
Wer nach Lehrabschluss nicht auf Anhieb eine feste Stelle findet oder im Lehrbetrieb weiterarbeiten kann, kann folgende Anschlusslösungen in Betracht ziehen:
Nebst klassischen Beratungsstellen gibt es auch Praxisangebote, die Jugendliche und junge Erwachsene beim Einstieg in die Berufswelt unterstützen. Beispiele hierfür sind folgende:
Die Jobfactory erhöht die Chancen für arbeitslose Menschen und jene ohne Ausbildung in der Region Basel. Junge Menschen erhalten Beistand beim Übergang von der Schule ins Berufsleben durch individuelles Coaching, schulische Unterstützung und Bewerbungstraining.
Der Dachverein setzt sich für die Prävention von Jugendarbeitslosigkeit ein. Check Your Chance bietet schweizweit verschiedene Angebote an, die zum Ziel haben, dass junge Menschen zeitnah den Übergang in die Lehre oder den Arbeitsmarkt schaffen. Nachfolgend findet sich ein Überblick über die verschiedenen Angebote.
Hierbei handelt es sich um ein Motivationssemester, das vom sozialen Dienstleistungsunternehmen Stiftung Zukunft Thurgau angeboten wird. Inhalte sind unter anderem Beratung und Coaching mit Standortbestimmung sowie individuelles berufszielorientiertes Lern-Coaching. Das Angebot richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene bis 24 Jahre, die im Kanton Thurgau wohnhaft sind und keine Lehrstelle haben und beim RAV, dem Sozialdienst oder der IV angemeldet sind.
Das Programm bietet Jugendlichen eine individuelle Begleitung bei der Suche nach einer Lehrstelle. Erfahrene Berufspersonen stehen ihnen als Mentorinnen und Mentoren zur Seite und unterstützen sie dabei, den Übergang in eine berufliche Ausbildung zu meistern.
Mit einem Wochenarbeitsplatz sammeln Jugendlichen schon während ihrer Schulzeit jeweils am Mittwochnachmittag praktische Erfahrungen bei einem Unternehmen und erhalten Einblick in die Berufswelt.
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