«Ich leiste mir den Luxus, in einem 80-Prozent-Pensum zu arbeiten.» Adrian C. schmunzelt. Der gelernte Koch, der als Teamleiter in einer sozialen Institution arbeitet, möchte neben dem Job Zeit für seine sechs Kinder haben – und darüber hinaus seine Frau Katja unterstützen. Diese kümmert sich vor allem um die Kinderbetreuung und den Haushalt. Daneben ist sie in einem kleinen Pensum als Aushilfe in der gleichen Institution wie ihr Mann tätig. Seit sie vor einem Jahr wieder zu arbeiten begonnen hat, ist das Haushaltsbudget nicht mehr ganz so knapp. «Vorher lagen spontane Ausflüge oder Kinobesuche nicht drin», erklärt sie. Mit ihrem kleinen Zusatzverdienst besteht nun etwas mehr Flexibilität. «Ein Besuch in der Badi ist nun keine Ausnahme mehr.»
Die Eltern gehen sehr offen mit dem Thema Geld um. «Vielleicht sollten wir Finanzielles zukünftig nicht mehr vor den Kindern diskutieren», sagt Adrian C. selbstkritisch. Dies nicht etwa, weil es den Kindern unangenehm wäre, dass ihre Familie so genau planen muss. Im Gegenteil: Für sie ist es normal. «Oft sagen die Kinder von sich aus, dass ein Badibesuch zu teuer ist. Oder sie haben ein schlechtes Gewissen, weil sie neue Schuhe brauchen.» Das möchten die Eltern vermeiden.
Denn wer neue Schuhe braucht, bekommt auch neue Schuhe. Steht der Herbst vor der Tür, wird geschaut, wer was von den grösseren Geschwistern übernehmen kann und wer tatsächlich etwas Neues braucht. «Ich suche dann bewusst nach Angeboten, um hochwertige Schuhe zu guten Preisen zu ergattern», sagt Katja C. Bei Kleidung ist das einfacher: Vieles erhalten sie von Bekannten, und auch in Second-Hand-Läden wird Mutter Katja oft fündig.
Die zwei Ältesten, die 14 und 11 Jahre alt sind, haben inzwischen allerdings ihren eigenen Kopf, was Kleidung anbelangt. Deshalb haben die Eltern im Frühling das Taschengeld – jedes Kind bekommt einen Franken pro Schuljahr und Woche – um monatlich 50 Franken bei Luca und 30 Franken bei Kayla erhöht. Damit müssen sich die beiden ihre Schuhe und Kleidung selbst kaufen. «Ich liebe Sneakers», verrät Luca. Lieber kauft er sich ein einziges Paar seiner Lieblingsmarke als mehrere No-Name-Produkte.
Für grössere Anschaffungen werden die Kinder zum Sparen angehalten. Alternativ können sie sich von ihren Göttis, Gotten und der Grosi einen Zustupf wünschen. Kayla spart gerade auf ein Handy. «Mit zwölf dürfen die Kinder ein eigenes Handy haben», erzählt Adrian C. «Wir zahlen ihnen anteilig 200 Franken; den Rest müssen sie selbst berappen.» Kayla hat das Geld für ihr Wunschhandy bereits zusammen. Lucas letzter grosser Wunsch war ein eigener Computer. Zu seinem 14. Geburtstag hat er sich deshalb von seinem Götti, seiner Gotte und seiner Grossmutter Geld gewünscht.
«Dank deren Grosszügigkeit musste nur ein kleiner Teil seiner Ersparnisse dran glauben», erzählt Vater Adrian. Luca habe alles allein ausgesucht: Computer, Tastatur, Tisch und Stuhl. Als er das Gerät dann voller Vorfreude habe starten wollen, sei der Bildschirm schwarz geblieben. «Er hatte vergessen, ein Betriebssystem zu kaufen», erinnert sich sein Vater und lacht. «Wir haben ihm das Geld dann vorgeschossen – irgendeine Lösung gibt es schliesslich immer.»
«Mit zwölf dürfen die Kinder ein eigenes Handy haben. Wir zahlen ihnen anteilig 200 Franken; den Rest müssen sie selbst berappen.»
Adrian C.
Mit einem eigenen Computer hat sich Luca (14) seinen letzten grossen Wunsch erfüllt.
Dass die Kinder im Haushalt mithelfen, ist bei der achtköpfigen Familie selbstverständlich und wird daher auch nicht entlöhnt. Aber ab und zu können sich die Älteren einen Batzen dazuverdienen. «Wenn ich meine Geschwister hüte oder für die ganze Familie koche, bekomme ich fünf Franken», erzählt Kayla. Das Geld landet dann in ihrer Spardose.
Dass sie eine so grosse Familie sind, war nicht geplant. «Es hat sich einfach so ergeben», sagt Adrian C. und lacht. «Beim sechsten Kind wussten wir aber, dass es unser letztes sein würde.» Auch über die finanziellen Aspekte hat sich das Paar im Vorfeld keine Gedanken gemacht. «Wir wissen aber, dass das Haus ein Geschenk ist. Wir wüssten sonst nicht, wie wir es schaffen sollten. Manche Dinge müssen einfach so kommen, wie sie kommen.»
«Wenn ich meine Geschwister hüte oder für die ganze Familie koche, bekomme ich fünf Franken.»
Kayla, 11 Jahre
Hütet Kayla (11) ihre Geschwister, kann sie sich ab und zu einen Zustupf zum Sackgeld verdienen.
Bei Familie C. gibt es eine Regel: Zu Weihnachten gibt es von den Eltern Geschenke, zum Geburtstag Zeit. «Zeit ist für uns alle am wertvollsten», hält Adrian C. fest. Mal verreist ein Elternteil mit einem Kind über Nacht, mal gibt’s einen Tagesausflug. Nicht nur den Eltern, auch den Kindern bedeuten diese Zeit-Geschenke viel. «Ich finde das richtig cool», strahlt Kayla. Letztes Jahr war sie mit ihrem Vater auf dem Konstanzer Weihnachtsmarkt – Hotelübernachtung inklusive. An Weihnachten sind es dann die Gotten und Göttis, die der Familie ein Gemeinschaftsgeschenk machen – dieses Jahr einen Aufstellpool für den Garten. «Ein andermal haben sie uns einen Ausflug ins Ravensburger Spieleland geschenkt.» Die Erinnerungen daran sind noch lebendig.
Luca hat im Sommer die Sekundarschule abgeschlossen. «Wir haben abgemacht, dass sich jedes Kind beim Übertritt von der Oberstufe zur Lehre eine Reise aussuchen darf», erzählt sein Vater. Lucas Wahl ist auf Japan gefallen. «Wäre es eine günstigere Destination, wären wir als Familie verreist», so Adrian C. Jetzt wird er mit seinem Ältesten alleine nach Asien fliegen. Dieser findet das ohnehin spannender als mit seinen jüngeren Geschwistern: «Dann habe ich mehr Zeit für die Dinge, die mich interessieren.» Die Flüge sind schon gebucht. «Je früher man bucht, umso günstiger», weiss Adrian C. Rund 1000 Franken pro Person haben ihn die Flüge gekostet.
«Wir haben abgemacht, dass sich jedes Kind beim Übertritt von der Oberstufe zur Lehre eine Reise aussuchen darf.»
Adrian C.
Die Flüge sind bereits gebucht: 2025 geht es für Luca und seinen Vater nach Japan. Der Pool war ein Gemeinschaftsgeschenk von Gotten und Göttis zu Weihnachten.
«Natürlich sind Ferien Luxus», gibt der 41-Jährige zu. Aber die gemeinsame Zeit sei für sie als Eltern eine Investition in die Zukunft. «Wir wünschen uns, dass wir auch später noch eine enge Beziehung zu unseren Kindern haben.» Mindestens einmal pro Jahr verreist die Familie zusammen – «das ist uns heilig!» Dazwischen reiche auch mal ein gemeinsamer Grillabend im Wald. «Aber wir möchten den Kindern auch die Welt zeigen», sagt Katja C. Gleichzeitig sollen ihre Sprösslinge wissen, dass man etwas machen muss fürs Geld, dass es nicht einfach verfügbar ist. Bei den älteren Kindern ist das bereits angekommen: Sie sparen lieber für ihre Träume, als alles gleich auszugeben.
Nächstes Jahr wird Luca seine Lehre als medizinischer Praxisassistent beginnen. Sein Lohn: 550 Franken pro Monat. «Das ist eine ganz neue Situation für uns», so Adrian C. Die Idee ist, dass der dann 15-Jährige kein Kleidergeld mehr bekommt, sondern Kleidung und Schuhe von seinem Lohn zahlt und ausserdem zehn Prozent seines Einkommens zum Wohnen beisteuert. Auch das GA wird er zukünftig anteilig zahlen müssen. «Für mich passt das», sagt Luca. Schliesslich werde es bei seinen Geschwistern dereinst genauso gehandhabt werden.
Abstriche machen die Eltern vor allem bei sich selbst. «Wir gönnen uns nur selten etwas», so Katja C. Wenn sie neue Kleidung braucht, geht sie in den Second-Hand-Laden. Beim Essen möchte sie hingegen nicht sparen. «Uns ist gesunde Ernährung wichtig», erklärt die gelernte Köchin. Trotzdem müsse sie genau haushalten. «Früher haben wir uns Bio-Produkte geleistet», so die 36-Jährige. Aber seit sie zu acht sind, reicht das Einkaufsbudget von monatlich 1500 Franken dafür nicht mehr aus. «Zudem ist alles teurer geworden.»
Fleisch kommt seltener als früher auf den Tisch – auch, weil die Kinder inzwischen mehr essen. «Wo früher ein halbes Kilo für die ganze Familie gereicht hat, benötigen wir jetzt ein ganzes Kilo», sagt Vater Adrian lachend. Für die Kinder ist dieser Verzicht kein Problem. Sie sind regelmässig beim Einkauf dabei und haben ein Bewusstsein dafür entwickelt, was Lebensmittel kosten. «In unseren letzten Ferien in den französischen Alpen durfte sich jedes Kind ein Gericht wünschen und es dann auch mit unserer Unterstützung kochen», erzählt die Mutter. Ihnen als Eltern sei es wichtig, dass ihre Kinder einen Bezug zu den Lebenshaltungskosten hätten. Mit dem strikten Budget fährt die Familie gut: Überraschende Rechnungen gibt es in der Regel nicht. Und wenn unerwartet ein Gerät seinen Geist aufgibt, repariert es Adrian C. wenn möglich selbst.
«Früher haben wir uns Bio-Produkte geleistet. Aber seit wir zu acht sind, reicht das Einkaufsbudget von monatlich 1500 Franken dafür nicht mehr aus.»
Katja C.
Mit dem strikten Budget fährt die Familie gut: Überraschende Rechnungen gibt es in der Regel nicht.
«Ich glaube, man muss auch etwas unkompliziert sein», sagt Katja C. Sich mal von Freunden etwas ausleihen, etwas tauschen oder eben selbst Hand anlegen. Müsse dann doch mal eine grössere Neuanschaffung getätigt werden, werde notfallmässig auf ein anderes Konto zugegriffen. Irgendwie geht die Rechnung am Schluss immer wieder auf. «Vielleicht wird der nächste Urlaub dann halt etwas kürzer.»
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